Festival Rümlingen 2011 – Neue Musik – Theater – Installation

Künstlerisches Konzept 2011

 

 

DRINNEN VOR ORT.
vier Landschaften – vier Jahreszeiten – vier Wege

 

Vor dem eigentlichen Festivaltag wird ein Buch entstehen, für das von Komponist/innen musikalische Konzepte erarbeitet werden. Ausgangspunkt zu den insgesamt sechzehn in Auftrag gegebenen Konzeptkompositionen ist ein Text namens «singende Schnecke», den der Komponist Hans Wüthrich 1979 entwarf und der zum inneren Hören, zur inneren Klangvorstellung anregt. So werden für das diesjährige Festival Rüm­lingen Komponist/innen aus der Schweiz und aus aller Welt, unter ihnen Wüthrich selbst, für vier unterschiedliche Orte in der Umgebung von Rümlingen und jeweils abgestimmt auf die vier Jahreszeiten neue künstlerische Konzepte erarbeiten. Diese Konzepte, welche in einem «Hör-Wanderbuch» zusammengefasst werden, lassen sich dann höchst individuell im Kopf eines jeden Besuchers, einer jeder Rezipientin realisieren.


Zum Frühjahrsbeginn, dem 21. März, «erfinden» vier Komponisten jeweils Hörkonzepte zu einem von vier Orten: Wasserfall (Chrientel), Tunnel (Rümlingen), Felsen der Waldlichtung (Häfelfingen) und Wiese (Wisenberg). Zu jedem dieser Orte kreieren jeweils vier weitere Komponisten ebenfalls «Klangimaginationen» für den Sommer-, Herbst- und Winterbeginn. Insgesamt werden so sechzehn Konzeptkompositionen geschaffen, die verschriftlicht und neben vier literaischen Texten zu denselben vier Orten als Basis für «klangimaginäre» Wanderungen rund um Rümlingen dienen. So kann der künftige Rezipient mit dem Buch in der Hand die Umgebung erwandern und ausgehend von den hier dokumentierten künstlerischen Konzepten seine eigene «Komposition» im Kopf entwickeln.


Insgesamt wird das Buch die sechzehn Konzeptstücke der Komponist/innen zusammen mit entsprechenden «Wanderkarten», genauen Orts- und Wegbeschreibungen sowie Fotos enthalten. Vier Schriftsteller beschreiben daneben die Orte in ihren Worten und schaffen damit Texte, die ebenfalls zur Inspiration für eine «imaginäre Klangwanderung» werden. Ferner gibt es einen Essay über Konzeptmusik von Urs Peter Schneider sowie ein «Lexikon» des Musikjournalisten Thomas Meyer, in dem er verschiedene Aspekte der «Klangimagination» vorstellt. Die Kategorien «Konzeptkomposition» und «Klangimagination» stehen damit im Mittelpunkt des künstlerischen Konzeptes beim Festival Rümlingen 2011. Thomas Meyer schreibt zu dieser Kunstform: «Zur Bezeichnung dieser Kunstform (ist es nur eine Scheinkunst?) gibt es noch keinen verbindlichen Begriff. Mein Vorschlag wäre (…): Klangimagination. Das erweist sich vielleicht trotz der Unschärfe Klang/Geräusch (analog zu Klanginstallation) als der geeignetste Begriff. Auch Martin Seel tendiert in diese Richtung, wenn er ‹das ästhetische Vorstellen von etwas – einem einzelnen Ding oder Ereignis oder einer Konstellation von Dingen und Ereignissen› – ‹abkürzend als Imagination› bezeichnet. Diese Imagination kann ebenso wie die ästhetische Wahrnehmung jederzeit und überall in Gang kommen.


Die Klangimagination umfasst nicht nur die Prozesse der Vorstellung, sondern auch des Erinnerns (gleichsam als Nachstellen von Geschehenem), als der ‹vergangenen Gegenwart›.»

 

 

 

 

Rümlingen, 25.September 2011

 

Beim Festival selbst werden nach einer Buchvernissage die vier «konzeptualisierten» Orte gemeinsam mit vier Komponisten (Tom Johnson, Manos Tsangaris, Cathy van Eck und Hans Wüthrich) «erwandert». Damit entsteht eine intensive Begegnung mit den Künstlern, die beim Publikum nicht nur die Phantasie anregen, sondern vielleicht auch ihr künstlerisch-ästhetisches Verständnis für zeitgenössische Musikkonzepte erweitern wird. Danach können die vier Hör-Orte jeweils am 21. Dezember, 21. März, 21. Juni und 21. September um 14.00 besucht werden – mit der Möglichkeit, andere Hörer und Interessierte anzutreffen (vielleicht auch die Komponisten). Grundsätzlich können die vier Orte aber jederzeit aufgesucht werden – die oben genannten Termine eines jeden Jahres markieren jeweils den Wechsel von einer Komposition zur nächsten. Das zuvor erarbeitete «Hör-Wanderbuch» wird vom Festivaltag an Besucher/innen begleiten, die selbständig an die vier Orte wandern und dort den Klangimaginationen folgen. Das Festival findet also im Prinzip das ganze Jahr hindurch statt.


Die Konzeptstücke altern nicht und sind ab dem 25. September 2011 jederzeit (innerlich) zugänglich. Die Landschaften werden im Laufe der Zeit gewissen natürlichen und zivilisatorischen Veränderungen unterworfen sein, in die wir aber nicht mehr eingreifen wollen (weder mit Eingriffen vor Ort, Stichwort «historische Aufführungspraxis», noch durch Aktualisierung der Konzepte). Möglicherweise werden sie langfristig ihr akustisches Profil und damit die auf sie bezogenen Konzeptkompositionen verändern.